Plötzlich Unternehmerin – über Nacht

Kaum eine Unternehmerehefrau rechnet damit, dass ihr beim Tod des Ehemanns durch Erb- und Eherecht die Hauptrolle im Unternehmen zuwächst. Und doch ist es in den meisten Fällen so.

14. August 2019, London, 14.00 Uhr, Claridges Hotel:
Im Saal kehrt Ruhe ein, circa zwei Dutzend elegant gekleidete Britinnen mittleren Alters, die sich untereinander zum Teil kennen, richten ihre volle Aufmerksamkeit auf den Vortragenden.

„Die Unternehmensnachfolge, und sei sie auch nur auf bestimmte Zeit, ist kein Ereignis, sondern ein Lernprozess, der lange vor dem Tod Eures Ehemanns eingeübt werden muss. Ganz besonders, wenn Ihr die Nachfolger seid und bislang keinen Bezug zu Eurem Unternehmen hattet“….

So ungefähr beginnt der amüsant-ernste Vortrag von Geoff Todd, einem Anwalt einer bekannten Londoner Erbrechtskanzlei. Es sind ungewohnte Töne. Die Frau als Unternehmerin, so sieht sich dieser Kreis bislang nicht. Todd ist angetreten, dies zu ändern.

Er beschreibt familiäre Szenen, einen immerwährenden Dialog zwischen Mann und Frau. Was ist, wenn Dir etwas passiert, Schatz?

Harte Lektionen für künftige Witwen:

Teilnehmerinnen sind Ehefrauen bekannter britischer Familienunternehmen. Im Vorfeld haben alle anonym einen Fragebogen ausgefüllt: Wieviel älter ist Ihr Ehemann? Sind sie mit tätig im Unternehmen? Worin sind Sie tätig? Kennen Sie die Kennzahlen Ihres Unternehmens? Wann haben Sie zuletzt mit einem leitenden Angestellten unter 4 Augen gesprochen? Mit dem Steuerberater? Kennen Sie die Abschlüsse? Und so weiter.

Todd hat die Antworten ausgewertet. Die Auskünfte sind unterschiedlich aber dünn. Wenig später sagt er in nüchternem Ton: „Es wird aus den Antworten klar, dass Ihr zu wenig über Eure Unternehmen wisst, um diese allein führen zu können.“

Und, nach einer längeren Erklärung: „Lasst Euch nicht abspeisen mit dem, was ich Beruhigungsszenarien nenne: Euer Ehemann will Euch suggerieren, dass alles im Fall seines Todes schon laufen werde. Dass seine Angestellten vertrauenswürdig seien, dass sie Euch leiten werden, und der Steuerberater auch. Dass das Testament alles abschließend und gut für alle regelt. Dass für Euch und die Kinder gesorgt ist bis in alle Ewigkeit. Dass die Kinder übernehmen können. Oder dass die Kinder sich mit Euch und untereinander vertragen werden. …..“, er seufzt, „Aber, auch, wenn das alles vollkommen ernst gemeint ist: in der Realität kommt das so gut wie nie vor, dass auch nur irgendetwas reibungslos für die Ehefrau klappt, wenn der Tag X da ist.“

Der Todesfall: – Die ersten Anrufe gelten der besten Freundin

Ein Tuscheln geht durch den Raum. Eine Teilnehmerin nickt.

Geoff Todd ist seit 20 Jahren erfolgreicher Anwalt im Unternehmens- und Erbfolgerecht. Psychologie ist ein Teil seiner Arbeit. Er weiß wovon er spricht. Sein Fachthema sind Familien und die Unternehmensnachfolge in familiengeführten Konzernen. Seine Kundschaft ist äußerst vermögend, öffentlichkeitsscheu, konservativ, und sehr zurückhaltend.

„Ich bitte Euch, Euch den Tag X vorzustellen. Was machen Sie, Florence, wenn Sie Ihren Mann tot im Wohnzimmer finden? Oder wenn er bei einer der vielen Reisen oder bei den riskanten Hobbies verunglückt, Heather? Was wird in den ersten 5 Tagen nach diesem schrecklichen Ereignis bei Ihnen beiden passieren? Was in den ersten 5 Wochen? Was in einem Jahr?“

Die Damen sind aufmerksam, es ist ein wunder Punkt. Todds Publikum, Ehefrauen aus ähnlich vermögenden Familienunternehmen, schaut sich untereinander an. Es sind unterschiedliche Charaktere, manche sind die erste, die zweite oder dritte Ehefrau des Unternehmers. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern, sind tätig in wohltätigen Organisationen, in Schulen, Vereinen oder in der Landespolitik. Nur wenige gehen einem geregelten Beruf nach. Weit überwiegend sind es – in dieser Phase ihres Lebens – Mütter ohne eigenes Einkommen und oft ohne höheren Bildungsabschluss. Zögerlich antwortet schließlich Heather (55): man werde erstmal die beste Freundin anrufen, was zu tun sei, die habe das schon erlebt.

Geoff Todd nickt.

Eine solche Antwort kommt meistens auf seine Frage. Aber er wird die Damen an diesem Nachmittag dazu bringen, sich einmal mit ihrer ganz eigenen Situation zu befassen und die Auswirkungen auf Familie und Betrieb für sich selbst abzuschätzen.

Geoff Todd weiß, keine der Unternehmerehefrauen rechnet damit, dass ihr qua Erb- und Ehereicht eine Entscheiderrolle in Familie und Unternehmen zuwächst. Es ist meistens die Hauptrolle, die Ehefrau wird die sein, die alles zu entscheiden hat. Denn trotz aller Willensbekundungen, die Anzahl wirksamer Testamente oder anderweitiger Regelungen ist rückläufig und in über 50% der Todesfälle von Unternehmern greift in Großbritannien das gesetzliche Erbrecht.

Unternehmerehefrauen als Erbinnen: Keine denkt darüber nach, dass sie in die Hauptrolle geraten könnte

In Deutschland ist der Anteil der gesetzlichen Erbfolgen bei der Unternehmensnachfolge sogar noch höher. Statistisch überleben die Ehefrauen die Ehemänner. Im Erbfall gehört der britischen Ehefrau der Löwenanteil des Vermögens, das in der Ehe aufgebaut wurde, Haus und Hof und in den überwiegenden Fällen der Hauptanteil am Unternehmen oder Konzern. Und mithin große Verantwortung.

Es ist ein dreistündiger Vortrag. An diesem Nachmittag erlernen die Ehefrauen aus Großbritanniens bekanntesten Familienunternehmen, was das eigentlich bedeutet und welche unmittelbaren Fragen kurz nach dem Tod (oder Krankheit) des Ehemanns auf sie zukommen werden. Im Saal bittet Todd seine Zuhörerinnen um Entschuldigung: „Ich darf das eigentlich als Mann nicht sagen. Aber es ist kein Herrenwitz: niemand wird so belogen wie die Witwe eines reichen Mannes. Insbesondere eine, die nie oder fast nie im Unternehmen mitgearbeitet hat, die nie in die Bücher geschaut hat. Niemand bekommt solchen Unsinn erzählt, zur Führung des Unternehmens, zur Geldanlage, zum aktuell operativen Geschäft, von dem sie ja lebt. Und manchmal wird der Unsinn sogar aus Liebe erzählt: um Sie nicht zu beunruhigen.“

Am Ende werden die Damen bestätigen, dass sie zu wenig wissen, um der Führungsrolle gerecht werden zu können. Sie benötigen Vorbereitung. Sie wissen, sie müssen dazu die Komfortzone verlassen.

Auch das ist Geoff Todd bewusst. Gleichwohl werden sie – wenn sie jetzt nicht in das Thema Nachfolge eingreifen – in der Hauptentscheiderrolle und möglicherweise in der Geschäftsführung des ererbten Unternehmens landen. Ihm geht es darum, dieses Bewusstsein zu schaffen.

Immer erst die Situation durchspielen – Die eigene Zukunft vernünftig planen

„Am Ende muss Ihnen klar sein, was Sie persönlich für sich möchten. Erstmal nur für sich. Nicht für die anderen. Die kommen später.“

Geoff Todd weiß, er wird im Nachhinein zu privaten Gesprächen eingeladen werden von den Unternehmern und den vermögenden Familien Englands. Manchmal aus purem Misstrauen. Manchmal, weil sich doch die Erkenntnis durchsetzt, dass im bei Unfall, Krankheit oder Tod des Unternehmers (noch) kein geeigneter Nachfolger da ist. Dafür aber starkes Streitpotential unter den Erben oder Mitgesellschaftern im Konzern. Die Frauen tragen durch ihre Sorge dazu bei, dass endlich über eine Lösung nachgedacht wird.

Todd weiß, dass zwar unterschwellig auch beim Unternehmer stets Sorge darüber besteht, wie er sein Unternehmen oder sein Vermögen sich und seiner Familie erhalten kann. Er weiss aber auch, dass trotzdem kaum ein Unternehmer wirklich aktiv wird und seine Familie auf den Tag vorbereitet. Geoff Todd dreht diese Entwicklung um, schlichtet Streit, erklärt Zusammenhänge im Unternehmen, berät und vertritt Witwen und Kinder- auf dem Weg in die Zeit ohne den Gründer. Seine Champagnertreffen haben wenig Amüsantes und doch kommen die Ehefrauen gestärkt und mit guten Ideen daraus hervor.

Anmerkung S.F.H.:

Auch in Deutschland wird die Ehefrau des Unternehmers durch Erb- und Eherecht zur Haupterbin, soweit nichts Anderes wirksam vereinbart wurde. Das bedeutet, dass sie zum Hauptentscheider über das Vermögen inklusive des Unternehmens wird, wenn nichts Anderes vom Unternehmer verfügt wurde.

Gerade ein solcher klarer letzter Wille existiert indes in weit über der Hälfte der deutschen Mittelstandsunternehmen nicht.

Daher gibt es meist auch keine geordnete geplante Nachfolgelösung, die alle Interessen der Erben berücksichtigt, tatsächlich umgesetzt werden kann und streitvermeidend durchdacht ist. Im Gegenteil. Vielfach liegen, wenn überhaupt, nur rudimentäre, veraltete oder fragmentierte Äußerungen des Erblassers vor, die der Realität oder den Klagen der Erben nicht standhalten. Oder es liegt gar nichts vor.

Für die Haupterbin heißt dies dann , dass sie innerhalb kürzester Zeit in einem Strudel sitzen wird, in dem sie rasch Lösungen für das Unternehmen und ihre Kinder schaffen muss. Die sich dann auftürmenden Fragen können für schlaflose Nächte sorgen.

Sie sind Unternehmerehefrau und haben ein ähnliches Problem? Sie wissen eigentlich nicht so richtig, was im Ernstfall auf Sie zukommt?

Prüfen Sie, ob Sie als Hauptperson für den Handlungsbedarf in der Familie und im Unternehmen gerüstet wären.

 

Führen Sie ein erstes Gespräch mit Sybille: Tel. +49 (0) 69 4080 6020

sybille@sybillefranzmann.de