Die Unternehmerehefrau wird Unternehmerin: “Er ist todkrank- jemand musste übernehmen!“

Über Nacht zur Chefin. Es gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmerehefrauen in Deutschland, die es auf sich genommen haben, angesichts der Erkrankung oder des Todes des Unternehmenseigentümers das Geschäft an seiner Stelle weiterzuführen. Das ist verständlich, wenn es sich um das Lebenswerk des Ehemanns handelte. Oder wenn der Betrieb seit mehreren Generationen der Familie gehört. Aber es ist keine leichte Aufgabe. Kaum eine Ehefrau ist auf die Situation vorbereitet gewesen, die meisten gar nicht. Aber alle wünschen, sie hätten mehr gewusst.

Es sind beispielhafte Geschichten, die von Frauen berichtet werden, die sich ohne Vorkenntnis als Ehefrau an die Führung des Familienunternehmens gewagt haben. Obwohl sie überhaupt keinen Einblick in den Betrieb hatten und auch nicht die passende Ausbildung.

„Kann ich das?“ – Gute Frage, aber: oft hat man gar nicht die Wahl

Denn, entgegen allem wohlmeinendem Rat, in den meisten Mittelstandsunternehmen ist von vornherein nicht oder nicht ausreichend für die Nachfolge gesorgt. Das heisst, in den überwiegenden Fällen wird die Ehefrau bei Krankheit oder Tod des Eigentümers „ans Ruder“ kommen.

Aber, nur in 5% der Fälle, in denen der Ehemann erkrankt oder verstirbt, will sie das wirklich auch: nur in Ausnahmefällen will die Unternehmerehefrau in Deutschland tatsächlich den Betrieb selbst weiterführen.

Statistisch gesehen streben die meisten Ehefrauen, wenn sie nicht vorher bereits in dem Betrieb mitgearbeitet haben und ein Zutrauen haben, dass sie das schaffen, den Verkauf des Unternehmens an. Oder eine Struktur, in der sie die Verantwortung für das Tagesgeschäft einem geeigneten Management überlassen.

Wenn die Unternehmerwitwe dennoch nicht verkauft, sondern die Leitung und Verantwortung selbst übernimmt, liegt das meist an folgendem:

  • Versprechen auf dem Totenbett,
  • sie will das Unternehmen erhalten und führen für die (noch jungen) eigenen Kinder,
  • andere Familienmitglieder, Gesellschafter, Erben, denen sie nicht traut, wollen ihr die Geschäftsführung abjagen, das kann später ein Nachteil für ihre Kinder sein,
  • die Firma ist seit Generationen im Familienbesitz, sie darf aus ethisch-moralischer Sicht nicht verkauft werden = sie sieht sich durch Bestimmungen in Erbverträgen gebunden; es ist aber auch kein geeignetes Fremdmanagement verfügbar, das sie einstellen könnte,
  • die Zahlen des Unternehmens sind schlecht = es ist ein schlechter Verkaufszeitpunkt,

 

Ein Beispiel.

Durch die plötzliche Erkrankung des Familienunternehmers Martin B. musste seine Frau Gabi über Nacht einspringen und das Ruder übernehmen. Der kinderlose Unternehmer führte in siebter Generation – und sehr patriarchalisch – einen 600-Mitarbeiter-Betrieb für Melde-Elektronik in einem kleinen Dorf in Bayern. Als er 2005 erkrankte, wurde er umgehend bettlägerig und war nicht mehr belastbar, die Ärzte stellten keine Heilung mehr in Sicht. Für Gabi B., die gelernte Lehrerin für Deutsch und Mathematik, hieß das, dass sie über Nacht neue Aufgaben erhielt und ihren bisherigen Job in der Schule kündigen musste.

Pflege auf der einen, und neue Herausforderungen auf der anderen Seite.

Sie hatte viele schlaflose Nächte zwischen Hoffen und Wachen. Als feststand, dass seine Zeit ablief, verschaffte sie sich einen Überblick, was sie als Leitung des Unternehmens würde tun müssen. Rasch erklärte ihr der Steuerberater des Unternehmens am Telefon mit Sorge, dass die Einnahmen rückläufig waren, die Produkte seien vielleicht nicht mehr modern genug. Nach diesem Gespräch kehrte sie mutlos in die Wohnung zurück. Wie sollte sie das schaffen? Die Frage, die sie sich von nun an jeden Abend stellte, war, warum habe ich mich nicht früher eingearbeitet?

Die ersten Wochen der Unternehmerehefrau „am Ruder“ – eine lange Liste schwieriger Aufgaben

Gabi B. hatte einige Vorteile in der Situation. Ihr Ehemann konnte ihr noch wirksam die notwendigen Vollmachten ausstellen und Beschlüsse fassen, bevor er, wenige Wochen später, verstarb. Ihm gehörte die Firma ganz, so dass sie auch nicht mit anderen Miteigentümern streiten musste, wie es weiter zu gehen habe. Oft aber in den kommenden Monaten wünschte sie sich oft einen beratenden Ansprechpartner, den es aber nicht gab.

Denn die Mitarbeiter betrachteten sie argwöhnisch. Man kannte sie nicht. Sie war unternehmensfremd.

Bedeutende Verluste – an Personen und an Geschäftsmöglichkeiten

Sie sprach zunächst die Abteilungsleiter an und lud sie zum Gespräch. Viele kannte sie kaum mit Namen, sie stellte fest, dass sie vom Leben ihres Mannes so gut wie nichts mitbekommen hatte. Einige Abteilungsleiter waren nett, aber das Misstrauen in den Gesprächen war zu spüren, es ging stets darum, was sie nun vorhabe. In diesen Wochen verlor sie einige wichtige Mitarbeiter, denen sie und die Situation zu fremd und zu unsicher vorgekommen waren, an die Konkurrenz. Sie bedauert das bis heute.

„Wenn wichtige Leute gehen, weil sie unsicher geworden sind, kann das einen Betrieb Jahre kosten, bis er sich davon erholt. Ich hätte die Leute früher kennenlernen sollen und mehr Kontakt haben sollen, sie nahmen mich nicht für voll. Warum auch, ich wusste ja nichts.“, sagt sie heute.

Neue Köpfe mussten gesucht werden, und zwar rasch. Abends war Gabi B. oft völlig verzweifelt, wie sie Personen halten und eine Abteilung leistungsfähiger machen könne.

Der Steuerberater meines Mannes: er sprach nicht meine Sprache

Sie versuchte zuerst, in den Bereichen Kommunikation, Personal und Finanzen Kenntnisse zu sammeln. Letzteres war schwierig. Schon die ersten Gespräche mit dem Abschlussprüfer des Unternehmens stellten sie vor mehr Fragen als Antworten.

„Ich verstand die Unterlagen nicht, die er mir vorlegte. Ich hatte noch nie eine Bilanz gesehen. Ich holte mir einen zweiten Steuerberater, dem ich meine „dummen Fragen“ stellen konnte, ohne mich zu blamieren.“, sie lacht verlegen.

„So lernte ich auch, dass der Steuerberater meines Mannes nicht meine Sprache sprach. Er hatte mir auch nicht alles gezeigt. Er setzte viel zu viel bei mir voraus. Und ich wollte mir keine Blöße geben, weil ohnehin mich alle für zu dumm für die Aufgabe hielten. Noch schlimmer war aber: es gab kein „Warnsystem“, keine Meldungen an mich aus der Buchhaltung, die mich auf die Verluste und was das für den Betrieb heißt, vorbereitet hätten. Ich schwamm völlig im Ungewissen. Mein Mann wusste sicher jede Zahl aus dem Kopf. Aber ich?“, es gab viel zu tun.

Sofortmaßnahmen für einen Überblick + eigene Berater = Wissen aufbauen

Sie setzte ein neues Reporting für sich auf, so dass sie verfolgen konnte, wie das Geschäft sich entwickelte. Es kostete, aber sie musste es so für sich organisieren, dass sie es lesen konnte.

Das Geschäft entwickelte sich schlecht, wie sie feststellen musste. Es gab zu wenig Neues. Die Konkurrenz warf immer wieder neue Ideen auf den Markt, fraß ihr die Kunden weg.

Noch mehr schlaflose Nächte. Zu wenig geeignete Abteilungsleiter, die eigene Ideen hatten, um neue Produkte in den Markt zu bringen. Ihr Mann hatte sein kreatives Potential genutzt, er hatte keinen Ideengeber gebraucht und daher auch keinen eingestellt. Sie musste sich in die Meldeanlagen erst ein denken.

Bin ich eine Kämpfernatur? – Warum mache ich das alles mit diesem Erbe?

An den Wänden hängen Bilder und Fotos der Vorväter ihres verstorbenen Mannes. Sie lässt ein Bild von ihm daneben hängen. Jeden Abend geht sie daran vorbei, auf dem späten Weg zur eigenen Wohnung. „Diese Männer haben unser Unternehmen zu dem gemacht, was es bis dahin war, nicht jeder war begabt, aber jeder hat sich in der Krise neu erfunden.“

Die ersten 24 Monate empfindet sie heute rückblickend immer noch als Alptraum. „Meine Lernkurve war viel zu lang. Es gab keine Freundinnen in gleicher Situation, die ich hätte fragen können. Keinen Berater, der meine Sprache gesprochen hätte. Es gab niemanden. Nur Männer. Ich kannte nur andere Unternehmer, bei denen Herren sah das alles leicht aus. Aber viele erzählten auch Dinge von sich, die gar nicht stimmten. Oder versuchten wochenlang, mich zum Verkauf zu bringen, weil ich mich ja „übernähme“ damit. Das brachte mich ins Zweifeln, aber…..“

Aber es gab sowieso keinen, den sie ohne weiteres als Geschäftsführer hätte einsetzen können. Nicht mal intern. Ihr Mann als starker Patriarch hatte nicht zu viele ideenreiche Köpfe im Unternehmen haben wollen.

Gabi B. sah zu, wie das Geschäft sich verschlechterte, wie der Marktanteil weiter sank. „Die Billiganbieter aus China machten uns bereits viel zu starke Konkurrenz. Unsere Produkte verkauften sich schlecht. Ich musste neue Ideen entwickeln. Es ging so nicht weiter. Für Trauer und Jammern war keine Zeit.“

Schweres Erbe, doch Hilfe von innen: die Mitarbeiter halfen weiter

Gabi B. blickt aus dem Fenster. „Wenn einige gute Mitarbeiter nicht gewesen wären, hätte ich aufgegeben. Ich habe oft nächtelang geheult, aber mich morgens zusammengerissen. Diese guten Leute brauchten den Job, sie sahen auf mich – und halfen mir weiter. Wir probierten Neues aus. Neue Funktionen. Neues Design unserer Produkte. Es kam an, aber waren schwere Jahre. Dazu die Finanzkrise 2008, als alle Aufträge storniert wurden! Es ging uns damals wirklich schlecht, aber wir haben keinen entlassen.“ Darauf ist sie stolz.

„Auch heute ist das Geschäft extrem schnelllebig. Ich weiß, dass wir in dem Umfang, in dem neue billige, digitalisierte Produkte aus dem Fernen Osten auf den Markt kommen, werden mitwachsen müssen, und das ist nicht leicht.“

Vorbeugung: „Was ist, wenn was Dir was passiert?“ – Einmal durchspielen, was sein wird, wenn die Unternehmerehefrau auf einmal alleinverantwortlich ist

Heute sagt sie: „Ich kann nur Frauen in der gleichen Lage raten, sich frühzeitig mit den Themen zu befassen, die im Familienunternehmen anstehen. Vor allem mit dem, „was ist, wenn Du ausfällst“. Denn dann ist man schnell in Schwierigkeiten, wenn man den Betrieb nicht genau kennt und nicht alles schon geregelt ist.“

Sie wählt ihre Worte mit Bedacht: „Mein Mann war 15 Jahre älter. Da ist meist klar, der Mann wird von der Frau überlebt werden. Kommen noch Erkrankungen hinzu, oder ein Unfall, kann es wahnsinnig schnell gehen. Als Ehefrau ist man am Ende halt doch in der Verantwortung.“

Sie weist auf die Fertigungshallen vor dem Büro. „Er war ein starker Typ, wollte nicht loslassen, so hatte er sich mit der Findung eines Nachfolgers zu viel Zeit gelassen. Verkaufen wollte er auch nicht. Und dann, durch Schicksalsschlag, musste ich auf einmal dann ran.“

Unternehmensnachfolge: nur mit guten Rat und langer Suche lösbar

Nach 13 Jahren, in denen sie nun dem Unternehmen vorsteht, und in denen ihr mit viel Mühe und Fleiß gelungen ist, die Firma erfolgreicher denn je zu machen, ist auch ihr ein Problem geblieben.

Sie weiß, sie darf nicht den gleichen Fehler machen wie ihr Mann. Sie ist 60 und hat noch keinen Nachfolger gefunden.

Sie weiß zugleich noch, wie lange sie gebraucht hat, um das Unternehmen führen zu können.

Nachfolge ist ein langer Prozess, jemand muss sich gut einarbeiten können.

„Nachfolge ist ein Prozess, nicht ein Event“, weiss sie jetzt. Jemand muss sich einarbeiten können, sonst leidet das Unternehmen. Es darf nicht so laufen wie bei ihr selbst.

Ihren Anteil am Unternehmen hat sie in eine eigene Familienstiftung überführt, in der festliegt, was mit dem Unternehmen und dem Vermögen geschehen soll und wofür es verwendet werden soll, wenn sie einmal nicht mehr kann oder nicht mehr ist. Das Vermögen aus dem Unternehmen soll einerseits ihr Auskommen im Alter finanzieren, aber auch dem Unternehmensfortbestand zugutekommen.

Aber, sie weiß, die Zeit drängt, die Nachfolge für das tägliche Geschäft gut zu regeln, das steht jetzt an.

Sie glauben, die Nachfolge in Ihrer Familie oder Ihrem Unternehmen ist nicht so geregelt, dass alle im Ernstfall gut orientiert wäre?

Sie wissen gar nicht, was auf Sie zukommt?

 

Vereinbaren Sie ein erstes Gespräch mit Sybille: Tel. +49 (0) 69 4080 6020

sybille@sybillefranzmann.de